Handy:
4 gleiche Spielzeugtelefone mit je 9 Samples
Escola de musica:
1 Blechblasinstrument,
1 breite Rolle Kreppklebeband,
1 Animaltrain (elektrisches Spielzeug
mit preset
Samples),
1 Styroporschale (10x20 cm),
2 Papierstreifenbüschel (1x breit, 1x schmal),
1 Plastikkarusell
(Spielzeug),
10 Tierknochen,
10 Hartplastikteile,
1 Plastikverpackung für 1,5V Baby Baterien,
1
Plastikinlay einer Keksschachtel,
1 leeres Boomereis mit Stielpfeife,
1 gerilltes Plastikrohr (Ø 2cm
/10 cm lang),
1 GT33 (elektrisches Spielzeug mit preset Samples und Sequenzen),
100gr Sonnenblumenkerne,
100gr Pistazien,
200gr geröstete Kaffebohnen,
20 große Schneckenhäuser,
1 Spielzeuggitarre mit Samples
1997:
1 Tenor-bassposaune
1 Diktiergerät
1 Sprecher
GitarrePlastikKoffer:
1 Akustikgitarre und diverse Plastikfolien
Mallorca So:
3 Luftballone
5 Knaller
1 Schafskopfskelett
3 Gesangs-Sprechstimmen
2 Schachteln mit elektrischen Zikaden
5 verschiedene Brummstimmenerzeuger
1 Beutel voll Münzen
5 Schafsglocken
1 moslemischer Wecker
1 Trillerpfeife
1 Wassertrillerpfeife
1 Vogelpfeife
3 Gläser
1 Flasche mallorquinischer Wein
1 Flaschenöffner
Die Söhne des Königs::
1 Spielzeuggitarre mit je 6 preset Samples
1 Spielzeuggitarre mit je 9 preset Samples
TOC
1 Indian Drum (elektrisches Spielzeug)
1Pianophone (elektrisches Spielzeug)
1 Dashboard(elektrisches Spielzeug)
1 Fancy Clock(elektrisches Spielzeug)
2 Gitarren (elektrisches Spielzeug),
Handy (elektrisches Spielzeug)
Presse
Poesie der Bohrmaschinen, Volker Sträbel / FAZ
Instrumentales Theater von Jeremy Clarke mit "General Noise"
Wahrscheinlich war es die Bühnenmusik zu Jean Cocteaus "Hochzeit
auf dem Eiffelturm" von John Cage, in der Spielzeuginstrumente Einzug
in die neuere Musik fanden.
Die Partitur für eine Aufführung der Compagnie von Bonnie Bird
an der Cornish School in Seattle im Jahre 1939 ist mit ihrer repetetiven
"Toy Orchestra Interludes" der Tradition amerikanischer Perkussions-Orchester
verpflichtet und verbindet die Erweiterung des für die Musik verfügbaren
Klangmaterials mit dadaistischem Spaß. Kein Wunder, dass sich Spielzeuginstrumente
in den Happenings der Fluxus-Künstler in den fünfziger Jahren
großer Beliebtheit erfreuten.
Ihre zweite Blüte erlebte die Spielzeugmusik mit der Verbreitung
billiger, technisch fiepender Spielsachen asiatischer Provenienz in den
achtziger Jahren.
Live-elektronisch verfremdet und verstärkt boten die Plastikinstrumente
üppiges Material für intellektuellen Trash. Beide Traditionsstränge
greift der in Berlin ansässige Komponist und Gitarrist Jeremy Clarke
mit seinen für die Gruppe "General Noise" entstandenen Musik-Performances
auf. Nicht Cages akustisches Toy Piano, sondern in wenigen Presets jaulenden
E-Gitarren aus buntem Plastik und Spielzeugautos mit schrillen Polizeisirenen
sind seine Mittel der Wahl. Kontrastiert von den Geräuschen elementarer
Klangerzeuger wie Tierknochen und Pistazienschalen, wirken die lärmenden
Objekte kindlicher Begierden als Fundstücke aus dem verwirrend vielgestaltigen
Universum unorthodoxer Instrumentation.
Im Dock 11 bot nun das Quintett "General Noise" zwei Abende mit kurzweiligen
Musik- und Material-Performances von Jeremy Clarke. Jedes Stück hatte
seine eigene Spielfläche im Raum, oftmals einen mit den jeweils genutzten
Objekten übersäten Tisch. Daß bei Clarke die Auswahl der
Klangerzeuger die Komposition bestimmt, fand sich so unterstrichen. Hinzukommt
der visuelle Reiz dieser Objekt-Sammlungen. Vor der Performance wirken
die präparierten Tische wie akustische Versprechen, nach der Performance
wie einst belebte Relikte künstlerischer Aktion, darin den Vitrinen-Werken
von Joseph Beuys verwandt.
Im Vergleich zu seinem Auftritt während des Raumtrieb-Festivals hat
"General Noise" an szenischer Präsenz und formaler Strenge gewonnen.
"escola de musica" eröffnet Miquel Gaya mit der konzentrierten Geste
eines vor dem Körper langsam von der Rolle abgelösten Klebebandstreifens,
ehe vor ihm auf dem Tisch liegende Spielzeuginstrumente mit electrischen
Zuggeräuschen und verzerrten Gitarrenklängen zum Einsatz kamen.
Sachte Klopf- und Wischgesten auf einer Styropor-Schale nehmen deren klare
Rhythmik auf, Rascheln mit Sonnenblumenkernen und kleinen Muscheln überführt
die perkussiven Akzente in kurze Klangbänder. Hier setzt schließlich
die Tuba Toni Fiols mit statischen Luftgeräuschen ein, die schließlich
in repetetiven Viertongruppen münden.
Die im Vergleich zu den Spielzeuginstrumenten gewaltige Präsenz des
mächtigen Blechblasinstruments ist integraler Bestandteil dieser
Musik-Performances ,die sich um Genre-Grenzen und Material-Debatten nicht
scheren. Wenn das Trio "Mallorca So" mit elektrischen Zikaden und mechanischen
Schafglocken die Klanglandschaft der Ferien-Insel evoziert, gehören
Platzdeckchen mit der bunten Touristenkarte des geografischen Vorbildes
selbstverständlich dazu. Das hier musikalische Formgebung mit der
variierten Wiederholung einen plötzlich abbrechenden Vogel-Pfeifen-Crescendos
etwas bemüht wirkt lässt sich verschmerzen...
...Im quirligen Umfeld des Kunst und Performance-Festivals "Raumtrieb"
im Projektraum Mitte vermochte Jeremy Clarke mit den "Söhnen des
Königs" für zwei Spielzeuggitarren zu sechs und acht Samples
rasch das Publikum zu bannen. Sture Wechsel von Dominante und Tonika werden
hier rhythmisch aufgelöst in klischeehafte Riffs, die die martialische
Gewalt ihrer rockmusikalischen Vorbilder als bloße Behauptung aus
Dezibel und Bühnenshow entlarven. In "Handy" für vier Spielzeughandys
führten Clarke, Helmut Mittermaier und Jean Szymczak ihr von fallenden
Quarten dominiertes Kangmaterial an die Grenze des Verstummens...
...Eindrucksvoll gelangen jene Performance-Stücke, in denen "General
Noise" in souveräner Materialbeherrschung szenische Präsenz
mit klanglicher Sensibilität zu verbinden mochten.
Jean Szymczak entlockte in "Gitarre,Plastik,Koffer" einer abgewrackten
Akustik-Gitarre durch sachtes, longitudinales Streichen der Saiten eher
die Idee eines Klanges denn akustisch Wirkliches, während Helmut
Mittermaier in einem Handkoffer fixierte Kunststoffolien knautschte. Und
das Grand Final von "General Noise I" mit vier elektrischen Bohrmaschinen,
Megaphon und Knallerbsen erlag nicht der Versuchung einer wirren Materialschlacht,
sondern etablierte Struktur und poetische Momente, nicht zuletzt Szymczaks
Zirpen an den Drähten eines Eierschneiders.
Theda Weber-Lucks
für
Bayerischer Rundfunk, Nov. 2001, Abteilung Neue Musik,
Wo findet man eigentlich noch das Neue in der Neuen Musik und worin besteht es eigentlich?
Wo sind die Musiker und Komponisten in ihren Motivationen
und Zielsetzungen authentisch und unabhängig?
Unter dem Eindruck der teils heftigen Kritik, wenn nicht gar
Infragestellung der Donaueschinger Tage für Neue Musik stellen sich
diese Fragen noch einmal mit ganz anderer Brisanz. Immer stärker wird der Ruf nach
einer Musik, die die Routine des immer Gleichen durchbricht. Doch solche Töne kommen nicht
von jenen, die, dem verschulten Betrieb der sogenannten Neuen Musik verpflichtet, nurmehr
ihren Stil kopieren. Das Unerwartete, Frische, Mutige - es kann nur von den Rändern
kommen. Von jenen, die weiterhin auf der Suche sind, die unbekümmert experimentieren
und ihren eigenen Klangvorstellungen folgen.
Das Neue in der Musik - wir wissen nicht wie es klingt. Doch wenn wir ihm begegnen, dann
werden wir es spüren. Es läßt uns nicht unberührt.
Das waren die Gedanken, die mich bei meinem Rundgang durch die Berliner Offkultur begleiteten.
Jeremy Clarke war einer der ersten die ich traf. Im Oktober 2000 lud
der autodidaktische Komponist, Sänger und Gitarrist zu einem happening-ähnlichen
Konzert in die alte Fabrikhalle vom Dock 11, Kastanienallee, Berlin-Mitte. Auf Tischen waren
schrill-bunte Spielzeug-Szenarien, Spielzeughandys, Wecker oder bonbonfarbene Plastikgitarren
aufgebaut.
Das klassisch schwarz-weiß gekleidete Ensemble General Noise. erweckte sie
nach und nach zu einer skurrilen Klangpoesie.
Seit ca. fünf Jahren beschäftigt sich Clarke mit dieser Art
von Spielzeugmusik. Vor ihm haben Cage oder auch Schnebel für solche Dinge komponiert.
Die Dadaisten und später die Wiener Gruppe bauten Spielzeug in ihre Soireen ein. Auch im Fluxus kam
es vor.
Clarke, der in jüngeren Jahren eher von Marschmusik, Elvis und Jimi
Hendrix schwärmte und später von dem deutschen Komponisten Hans-Werner Henze beeindruckt
war, ist Publikum wie Interpreten sehr freundlich gesinnt.
Aus möglichst billigen Mitteln, konkreten Klängen und musikalischen Versatzstücken bastelt er eine direkte, volksnahe
Musik, die zum anschauen, anfassen und selber machen ist.
Dem musikalische Mainstream, der für Clarke wie ein großer Supermarkt zu sein scheint, bläst er dabei wie allem
Etablierten frech ins Gesicht.
O-Ton Jeremy Clarke:
Naja, weil diese gängige Art Musik zu machen, sehr festgefahren ist.
Es gibt entweder
Popmusik, die arbeitet mit den gleichen klanglichen Klischées und
die klassische oder neue Musik ebenfalls. Und also dazusitzen mit nem
Blatt rumzukruschteln oder mit ner Bierdose und für sich so‘n eigenes
Konzert zu schaffen, das ist viel interessanter und ist auch ein viel
direkteres Erlebnis. Und vielleicht aus dem heraus war das ne Idee zum
einen Geschichten zum Ausdruck zu bringen, mit primitiven Mitteln möglichst.
Weil dieser Kult um teure Instrumente, oder der Hype um Spezielles, was
zu allem Etablierten und Guten gehört langweilig ist, und auch nicht
jedem zur Verfügung steht. Irgendwie aus dem heraus und aus Spaß
natürlich.